In letzter Zeit praktizieren einige Hollywood-Studios, was die Regisseure ihrer Wahl betrifft, eine vermeintlich besonders risikolose Strategie: Entweder engagiert man - für viel Geld - einen "großen Namen", der Garant für eine gewisse Qualität und, wichtiger noch, für eine erfolgreiche Promotion ist; dazu ein paar bekannte Schauspieler und schon kann man - ohne großer Prophet zu sein - voraussagen, dass der Film das investierte Geld wieder einbringt. The Terminal, von Steven Spielberg mit Tom Hanks und Catherine Zeta-Jones ist ein aktuelles Beispiel.
Die andere Alternative, zu der man, von Überraschungserfolgen wie My big fat Greek Wedding inspiriert, gerne greift, sind no-name-Regisseure, die bisher keinen echten A-Movie gedreht haben, oft aus der Musikvideo- oder Werbeindustrie kommen. Die Filme dieser meist jungen Regisseure kosten nicht viel, haben aber das Potential zu einem unerwarteten Kassenschlager, der sich im Jahresbericht des jeweiligen Studios ausgesprochen gut macht. Beide Alternativen minimieren das finanzielle Risiko für die produzierenden Studios - eine angenehme Option für Firmen, für die mitunter einzelne Filme über Bankrott oder Marktdominanz entscheiden. Was kein Wunder ist, in einer Zeit wo einerseits die reinen Produktionskosten für einen 90-minütigen Film mitunter 200 Millionen und andererseits nur die Einnahen an den Kinokassen eine Milliarde Dollar übersteigen können. Vor fünf Jahren war M. Night Shyamalan einer dieser no-name-Regisseure. Seine erste Produktion für die Traumfabrik war nicht zuletzt für ihn selbst ein persönliches Risiko: Über 50 Millionen Dollar vertraute man dem Neuling an (nicht ohne mit Bruce Willis in der Hauptrolle zumindest einen großen Namen zu haben) - The Sixth Sense wurde (nach der unüberholbaren ersten Episode der Star-Wars-Saga) mit 661 Millionen Dollar Einnahmen an den Kinokassen der Erfolg des Jahres. Kritiker und Zuschauer waren voll des Lobes und der junge Regisseur wurde eine der großen Hoffnungen Hollywoods. Mit Unbreakable und Signs blieb Shyamalan seiner Linie treu, konnte aber weder qualitativ noch finanziell an den Erfolg seines ersten Filmes anknüpfen. Mit The Village liegt nun sein vierter Film vor; zum ersten Mal ohne einen großen Star (zumindest spielt Joaquin Phoenix noch(?) nicht mit Willis oder Gibson in einer Liga) in der Hauptrolle, sondern diesmal mit dem Namen des Regisseurs als primärem Werbeträger. Die Reaktionen auf den Film sind erstaunlicherweise sehr unterschiedlich; tatsächlich hat Shyamalan seine Erzählweise verändert. Es ist ein ruhigerer, weniger Action-lastiger Film geworden als erwartet wurde. Weniger unerwartet, aber diesmal umso beeindruckender, ist der Story-Twist mit dem der Inder auch diesmal die Story beendet. (Aber sonst wäre es ja auch kein Shyamalan gewesen....) The Village ist ein Film über die Angst. Angst beherrscht die Bewohner eines kleinen abgeschiedenen Dorfes, das vom Wald umgeben ist. In diesem Wald leben die "Unaussprechlichen" - schreckliche Wesen, über die wenig geredet wird. Zwischen den Bewohnern des Dorfes und den Wesen im Wald herrscht eine Art Abkommen: Die Menschen dürfen den Wald nicht betreten und dafür kommen die furchtbaren Waldbewohner nicht in das Dorf. Dadurch wird die Isolation des Dorfes total. Niemand kann den Ort verlassen, nicht aus Neugier, nicht aus Sehnsucht, auch nicht um Menschenleben zu retten, bspw. indem man Medikamente aus der nächsten Stadt herbeischafft. Doch ist das Dorf im Wald kein Ort des Schreckens. Das Abkommen mit den "Unaussprechlichen" scheint stabil und die kleine Gemeinde führt ein friedliches, zumeist glückliches Leben. Die Alten erzählen viel vom Leben in der Stadt, in der es Mord, Vergewaltigung und andere Verbrechen gibt, die das Dorf im Wald aber nicht erreichen - nicht erreichen können. Dieser Irrtum wird jedoch gnadenlos aufgedeckt. Sowohl die Angst als auch das Verbrechen sind nicht im Wald, sind nicht in der Stadt - sie sind im Menschen. Night Shyamalan will nicht nur einen unterhaltsamen Film machen, er will auch eine Geschichte über die menschliche Innenwelt erzählen. Er tut das langsam und eindringlich, er tut es nachdrücklich. Vielleicht ist es das, was viele Zuschauer nicht erwartet haben und was sie an dem Film (ver-) stört. Es ist diesmal nicht nur die Überraschung, die einen im Kinosessel verweilen lässt, es ist der (durchaus verstörende) Eindruck, den das Spiel um Angst, Idylle, Gut und Böse hinterlassen hat. Regisseur und Kameramann (Roger Deakins, vor allem bekannt als langjähriger Mitarbeiter der Coen-Brüder) beschwören bildstark eine Atmosphäre, die immer wieder die Angst vor den unbekannten Wesen in den Mittelpunkt stellt. Für den Zuschauer wird diese Angst nicht nur nachvollziehbar sondern real. Ähnlich wie in Blair Witch Project sind es keine dramatischen Schockmomente, die ängstigen - es ist das Nicht-Wissen, die eigene Phantasie, die Zuschauern wie Dorfbewohnern gleichermaßen zusetzt. Das gefilterte Licht und das großartige Spiel mit den Farben des herbstlichen Waldes tun ein übriges zu einem der atmosphärisch dichtesten Filme, den dieses Kinojahr hervorgebracht hat. |