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Short Cuts


Es gibt Filme, die gehen direkt in die Magengrube. Das Fest, Dancer in the Dark, The Hours oder Gegen die Wand sind einige Beispiele. Mit Short Cuts hat Regie-Altmeister Robert Altmann, der zuletzt das äußerst amüsante Gosford Park und das eher belanglose The Company vorlegte, eine Film abgeliefert, der quasi einen Magengruben-Volltreffer landet.

Formal erinnert Short Cuts immer wieder an Magnolia (genaugenommen müsste es andersherum sein, Altmanns Film entstand sechs Jahre von Magnolia); episodenhaft werden Geschichten von (vorzugsweise paarweise) Menschen erzählt, die immer wieder miteinander verknüpft werden, aneinander vorbei laufen. Altmanns Film ist allerdings weniger schillernd, dafür aber stärker in der Wirkung. Deutlich zeigen sich hier die Unterschiede zwischen Filmen, die klassisch in der "Tradition" Hollywoods produziert werden und denen, die davon unabhängig (independent) entstehen.

Short Cuts zeigt v.a. emotionale Kälte - zumeist in Liebesbeziehungen, die weitestgehend frei von Liebe sind, aber auch bei vielen anderen Menschen, die unfähig oder -willig sind, angemessen mit ihren Gefühlen umzugehen. Auch die Umwelt der Protagonisten scheint kalt und erbarmungslos - doch ist es nicht das übertrieben Böse, das die Menschen leiden lässt, zentral ist es ihre eigene Unfähigkeit.

Die Akteure der Handlung(en) wirken auf den ersten Blick abgestumpft, krankhaft, mitunter gar verrückt. Doch der Zuschauer steigt immer mehr ein in deren Leben, ihre alltägliche Mitwelt und entwickelt langsam - knapp drei Stunden Zeit nimmt sich der Erzähler Altmann - ein Verständnis; er beginnt, sich widerwillig und mitleidend mit den Handelnden zu identifizieren. Es kommen Zweifel, ob die Menschen tatsächlich so kalt sind; vielleicht muss man nur besonders aufmerksam sein, um Liebe zu entdecken… So bleibt denn am Ende - dessen Gestaltung erneut stark an Magnolia erinnert - ein starker, verstörender Eindruck zurück.

Robert Altmann schafft es meisterhaft, Momente und Szenen zu kombinieren, aneinander zu reihen. Als Regisseur ist er sich der Wirkung seiner Bilder deutlich bewusst und nutzt dieses Wissen um das zu erzeugen, worum es in einem guten Kinofilm geht: Emotionen, nicht als Selbstzweck, sondern als Anlass zu eigener Reflexion.