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Das Mädchen mit einem Perlenohrring


Das Mädchen mit einem Perlenohrring, Peter Webber, 2003

"Das Mädchen kommt in die Familie und der Mann malt sie - mehr ist doch nicht passiert, oder?" Nein, mehr passiert wirklich nicht. Aber dass der Film dazu 100 Minuten braucht und dass er als unspektakuläre, leise, Englisch-Luxemburgische Produktion drei Oscarnominierungen kassiert hat, machen deutlich, dass - in gewisser Hinsicht - doch noch mehr passiert.

Peter Webber, der mit Das Mädchen mit dem Perlenohrring sein Kino-Debüt vorlegt, führt den Kinozuschauer ein in die Welt des niederländischen Delfts, in den Mikrokosmos der Künstlerfamilie Vermeer und nicht zuletzt in die Welt der barocken Malerei. Anhand des Schicksals der jungen Griet, deren Eltern sie als Dienstmagd außer Haus schicken müssen und die im Hause Vermeer eine Anstellung findet, wird eine - zum allergrößten Teil fiktive - Geschichte erzählt, die ihren Ausgangspunkt bei dem gleichnamigen Gemälde Vermeers nimmt. Über Vermeer und seine Werke ist vergleichsweise wenig bekannt. Wer dieses Mädchen tatsächlich war und warum Vermeer sie gemalt hat, ist unbekannt.

Im Film ist die Gemalte eine Dienstmagd und der Auftraggeber des Bildes, das heute als das bekannteste Bild eines der "größten Meister aller Zeiten" (Wikipedia) gilt, ist ein lüsterner Mäzen. Darum herum entwickelt das Drehbuch eine geklückte Verwicklung von Liebeleien & Leidenschaft, oder wie es die Werbezeile zum Film ausdrückt: "Beauty inspires obsession."

Der Film berichtet aber auch getailgetreu über das Leben im damaligen Delft und vor allem über die Malerei: Vom damit verbundene Handwerk, vom Prozess der Entstehung eines Gemäldes, von Farben und immer wider vom Licht.
Dass das Licht nicht nur für Vermeer, sondern auch für Peter Webber von zentraler Bedeutung ist, wird immer wieder deutlich. Ebenso gelungen sind die barocken Kostüme und die Leistung der - nach Lost in Translation - erneut großartigen Scarlet Johansson. (Noch ein oder zwei derartiger Leistungen und die gute kann zu ihrem BAFTA-Award auch noch einen Oscar auf den Kamin stellen).

Ein sehr schöner Film, der nicht nur zeigt, dass man in Ermangelung historischer Fakten keinen langweiligen Film machen braucht, sondern - auf ganz subversive Weise - auch noch Verständnis für die Kopfbedeckung islamischer Frauen schafft.