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Lola Reloaded


Am 08. Juli hat die neugegründete Deutsche Filmakademie erstmals den Deutschen Filmpreis, die Lola, vergeben. Nach den Diskussionen der letzten Monate gab es diesmal wenige Überraschungen.

Der Deutsche Filmpreis wird seit 1951 alljährlich verliehen, seit 2001 trägt er den schönen Namen ,Lola'. Die Auswahl der prämierten Filme war bis zum letzten Jahr Aufgabe einer Jury, deren Besetzung in der Zuständigkeit des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien lag und die immer wiederĘ für Kritik verschiedenster Art sorgte. Dieses Jahr war es das erste Mal Aufgabe der neugegründeten Deutschen Filmakademie, die begehrten Preise zu verteilen.
Die Gründung einer Deutschen Filmakademie nach dem Vorbild der amerikanischen Academy of Motion Picture Arts and Sciences wurde schon länger diskutiert und v.a. von Bernd Eichinger, dem ,Paten' der deutschen Filmindustrie, vorangetrieben. Als es 2004 endlich zur Gründung dieser Institution kam, wurden erneut Befürchtungen laut. Während die alte Jury im Ruf stand, vornehmlich politische oder andere gesellschaftlich motivierte Entscheidungen (die Jury setzte sich zusammen aus Vertretern diverser gesellschaftlicher Institutionen, u.a. Parteien und Kirchen) zu treffen und dabei den primär kulturell-cineastischen Anspruch aus den Augen zu verlieren, befürchtete man nun, die Akademie würde die Preise in erster Linie an große, erfolgreiche Projekte vergeben und dabei kleine, unabhängige Produktionen übergehen. Ganz unbegründet waren diese Befürchtungen sicher nicht, ging es doch darum, dass Filmschaffende einige Millionen Euro Fördermittel des Bundes (aus dem Topf der Kulturstaatsministerin Christina Weiss) quasi unter sich aufteilen sollten.

Doch die Nominierungen brachten die meisten Kritiker zum Verstummen. Weder Der Untergang, Eichingers überaus erfolgreiches Prestigeprojekt, noch der Klamauk-Streifen (T)Raumschiff Surprise, der erfolgreichste deutsche Film des letzten Jahres, brachten es zu mehr als zwei Nominierungen in Nebensektionen.
Das Procedere der Nominierungen und der Auszeichnungen gleicht prinzipiell dem des amerikanischen Vorbildes: Die Vorauswahl in den einzelnen Kategorien treffen die Angehörigen des jeweiligen Faches, die Wahl der Gewinner geschieht durch alle Mitglieder der Filmakademie. (Details dazu finden sich auf der Webseite des Filmpreises.)
Unter den Nominierten fanden sich schließlich neben relativ erfolgreichen Produktionen wie Sophie Scholl (u.a. auf der Berlinale ausgezeichnet) und Die fetten Jahre sind vorbei (vertreten im Wettbewerb um die Goldene Palme in Cannes) auch kleine, anspruchsvolle Produktionen wie Der Wald vor lauter Bäumen, Schneeland oder Touch the Sound. Dominierend, und damit klarer Favorit, war allerdings die Komödie Alles auf Zucker, die - ursprünglich als Fernsehproduktion geplant - in den Kinos als Überraschungserfolg landete.

Die gestrige Inszenierung der Verleihung der Lolas macht erneut die Nähe zum großen Vorbild deutlich. Der Ablauf, die Gestaltung, sogar die Reihenfolge der Verleihungen wurde nahezu 1:1 von der amerikanischen Oscar-Show kopiert. Bully Herbig mimte den Spaßmacher und verteilte artige Seitenhiebe auf Anwesende, es gab die Ehrenauszeichnung für das Lebenswerk (für Reinhard Hauff) und ein Filmchen für verstorbene Filmschaffende. Man mag den Verantwortlichen einen Mangel an Kreativität und Eigenständigkeit vorwerfen - aber andererseits ist gut kopiert oft besser als schlecht erfunden; zumal man sich von der Anlehnung an das bekannte Konzept (wohl zu Recht) eine stärkere mediale und gesellschaftlich breitere Aufmerksamkeit erhoffte. In der Vergangenheit war die Verleihung der Preise doch eher eine dröge, wenig unterhaltsame Angelegenheit (moderiert von Ulrich Wickert, Jörg Pilawa & Co.) gewesen.

Doch leider schien die mangelnde Kreativität der Organisatoren der Veranstaltung auf alle Mitglieder der Akademie übergegriffen zu haben: Der Film, der sich nach den Nominierungen als Favorit abgezeichnet hatte, gewann tatsächlich in sechs von zehn nominierten (von insgesamt fünfzehn) Kategorien, darunter Bester Spielfilm, Bester Hauptdarsteller, Beste Regie und Bestes Drehbuch. Bei einem genaueren Blick auf die Kategorien und die Nominierungen überkommen einen doch gewisse Zweifel, ob sich die Wahlberechtigten tatsächlich mehr als diesen einen Film angeschaut haben. Wie sonst kann man erklären, dass Ulrich Matthes grandiose Darstellung in Der neunte Tag ebenso übergangen wurde wie Till Brönners kongeniale musikalische Ausgestaltung von Höllentour? Tatsächlich merkte man gar den Ausgezeichneten eine gewisse Verwunderung an; Henry Hübchen erklärte sich seine Lola damit, dass man bei der Wahl des besten Darstellers wohl auch immer die dargestellte Figur auszeichne (und bedankte sich folgerichtig in erster Linie bei seinem Film-Ego), und Daniel Levy gestand, dass er sich den Erfolg seines Filmes selbst nicht recht erklären konnte.

"Guter Stil ist, wenn man etwas zu sagen hat." - In seiner Dankesrede für den Ehrenpreis ermutigt Reinhard Hauff damit junge Regisseure, ihren Geschichten und ihren Ideen treu zu bleiben. So gesehen ist es kein guter Stil, dass das "gehobene Boulevardtheater" (Ulrich Kriest) Alles auf Zucker die Lola in Gold (verbunden mit 500.000 Euro Preisgeld) für den besten Film gewinnt. Rothemunds Sophie Scholl - Die letzten Tage und Weingartners Die fetten Jahre sind vorbei, die jeweils eine Lola in Silber (dotiert mit jeweils 400.000 Euro) gewinnen, sind fraglos die mutigeren und wichtigeren Filme. Was letztendlich den Ausschlag für die Entscheidung der ,Film-Akademiker' gegeben hat, ob es tatsächlich mangelnde Sichtungen, persönliche (Des-) Interessen oder fehlender Mut war, bleibt ungewiss. Dennoch bleibt ein fader Beigeschmack nach der Verleihung der wichtigsten deutschen Filmpreise - auch wenn sonst vieles gestimmt hatte, etwa die besondere Würdigung von Dokumentar- und Kinderfilmen. Das Projekt ,Deutsche Filmakademie' wird weiterhin berechtigte Kritiker finden, auch wenn es der Entwicklung des deutschen Filmes sicher mehr genutzt als geschadet hat. Man darf gespannt bleiben, was es in Zukunft zu vermelden gibt von der Lola, von ihrer kulturstaatsministerlichen Stifterin, von Preisträgern und Preisvergebern.