Robert McNamara ist eine ausgesprochen scharfsinnige, analytisch denkende Persönlichkeit. Und er war wahrscheinlich einer der größten Krieg-er der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Über seine Tätigkeit für die US Air Force während des zweiten Weltkrieges, seine Arbeit bei Ford und v.a. seinen Job als Verteidigungsminister unter Kennedy und Johnson - und damit als amtierender Verteidigungsminister während der Cuba-Krise und des Vietnam-Krieges - berichtet, fast möchte man sagen "beichtet", der 85-Jährige in Errol Morris' Dokumentation. Der Blick auf die Persönlichkeit McNamara ist keineswegs ausgeglichen und differenziert; im wesentlichen besteht der Film aus Berichten McNamaras und unkommentierten Archiv-Aufnahmen und stellt damit keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit.
Und das ist auch gut so. Die klaren Schilderungen des alten, aber keineswegs gebrechlichen Mannes, führen einem nicht nur vor Augen, was geschah, sondern auch, warum es so geschah. Dabei wird deutlich, wie viel kalte Berechnung, wie viel Glück und wie viel Fehleinschätzung war, in den Ereignissen, die unzählige Soldaten und deutlich mehr Zivilisten das Leben gekostet haben. Der Film orientiert sich entlang von "Eleven Lessons", die McNamara ebenso ehrlich wie durchdacht formuliert. Hängen bleiben vor allem zwei Kernaussagen, die sich durch den Film ziehen: "Reasons has limits" heisst es einmal. Diese Grenzen der Vernunft werden im Krieg überschritten. Das, was auf dem Schlachtfeld passiert geht schließlich über das hinaus, was der menschliche Geist er- und überdenken kann. Zusammen mit dem titelgebenden "War of Fog", dem Nebel des Krieges, der die kriegsführenden Parteien nie klar erkennen lässt, was warum geschieht, erscheint es logisch, aber dennoch überraschend, dass McNamara immer wieder einräumt "We made mistakes" und feststellt, dass er und andere nach dem Zweiten Weltkrieg wohl als Kriegsverbrecher verurteilt worden wären, hätten sie den Krieg verloren. Das fesselnde und faszinierende am Film ist die Art und Weise wie McNamara von all dem berichtet: Es ist ein kühler Denker, der fast ohne jedes Anzeichen von Emotionalität rückblickend alles analysiert ohne durch Verpflichtungen oder Zukunftspläne beeinflusst zu sein. Wenn er berichtet, wie er sich nach dem Ende des kalten Krieges mit seinen ehemaligen Gegenspielern aus Kuba und Vietnam unterhalten hat und erkannte, wie falsch man sich gegenseitig eingeschätzt hatte oder wenn er von Mitgliedern des US-Generalsstabes erzählt, die eine atomare Auseinandersetzung mit der Sowjetunion für unausweichlich hielten und die Kuba-Krise als willkommenen Anlass sahen, die eigene atomare Überlegenheit zu nutzen, dann ist man erschüttert und fasziniert zugleich. Die Entscheidungen, die im Krieg getroffen werden, mögen noch so sehr durchdacht, die vorliegenden Informationen alle gründlich analysiert sein - der Nebel des Krieges kann nicht gelüftet und Grenzen der Vernunft nicht erweitert werden. "Rationality will not save us" - diese Erkenntnis ist vielleicht die wesentlichste. The Fof of War ist ein Film, der es irgendwie schafft, den Wahnsinn des Krieges deutlich zu machen und gleichzeitig zeigt, dass selbst "Kriegsverbrecher" womöglich nach besten Wissen und nachvollziehbaren Zielen gehandelt haben. Über die Aktualität der "Eleven Lessons" für die Kriege des 21. Jahrhunderts mag man streiten, aber ohne Frage ist der Film ein beeindruckendes Zeitdokument und hat den Doku-Oscar mehr als verdient. |
>> cINEMA | >> wORKS | >> lINKS | >> aBOUT |