– brand eins: Sparen

Die brand eins schreibt mal wieder schlaue Sachen, Schwerpunktthema Sparwahn.

Auszug aus dem Leitartikel:

Kein Land in Europa hat ein derart gestörtes Verhältnis zu den Begriffen „sparen“ und „ausgeben“ wie unseres. Dazu braucht man zunächst keine Wirtschaftsuniversität zu betreten, es reicht völlig, einmal um die Ecke zu gehen. Bei Discountern kauft die Nation ein wie verrückt, und zwar Lebensmittel, bei denen andere europäische Völker zögern würden, sie ihren Haustieren vorzusetzen. Aber sie kosten wenig. Und was noch zählt, hier, im Mutterland der Industrie, ist: eine fanatische Lust an der Quantität. Hauptsache billig, Hauptsache viel. Noch in den fünfziger Jahren gaben die Deutschen fast die Hälfte ihres verfügbaren Haushaltseinkommens für Lebensmittel aus, heute sind es gerade mal elf Prozent. Ein Durchschnittsbürger verdient heute das 19-fache des Einkommens eines seiner Vorfahren aus dem Jahr 1950, aber die Lebensmittelpreise haben sich lediglich um das 8,5-fache verteuert. Das Fressen kommt vor der Moral, das gilt als gesichert, doch es kommt auch vor der Qualität, und das gilt nicht nur für das, was wir schnell verdauen. Der Glaube daran, dass alles immer billiger werden muss, ist in allen Schichten und Klassen verbreitet. Es ist der Discountismus, eine perfide Form der Selbstkannibalisierung. Denn dieselben Leute, die bei Aldi, Lidl, Penny und Co auf Schnäppchenjagd gehen, erwarten Lohnsteigerungen oder wenigstens eine – wie auch immer geartete – staatliche Garantie auf die Erhaltung ihres Wohlstands.
(…)
Geiz? Das Wort ist in Deutschland durch nachhaltige Gehirnwäschen ganz allgemein nicht mehr das, was es eigentlich bedeutet: die asozialste Form, mit Kapital, Werten und Menschen umzugehen.

Amen.

4 Gedanken zu „– brand eins: Sparen

  1. Mr. ED

    Ich muss anerkennen, der Artikel von brand eins enthält mehr Wahrheit als vieles was ich in den letzten Wochen und Monaten gelesen habe und „gefällt“ mir ausgesprochen gut.
    Über den hier gewählten Auszug läßt sich jedoch streiten, nicht bezüglich es Inhalts, doch aber ob er dem Artikel gerecht wird und somit gut gewählt ist.

    Solange in massentauglichen Talkshows in allen Facetten ausschließlich über Niedergang der Republik gestritten wird, mutige Lösungskonzepte zerredet, verwässert und immer wieder verworfen werden, solange selbst die Eliten der Republik vom Sanierungsfall Deutschland reden und lediglich Pessimismus verbreiten, solange parallel immer mehr Vollzeit arbeitende Menschen von der Hand in den Mund leben müssen, solange die Angst vor der Zukunft geschürt wird, wird sich an dem Sparwahn(Geiz ist Geil) auch nichts ändern.
    Den „Discountismus“ würde ich dann noch als eine der eher ungefährlichsten Auswirkungen bezeichnen, viel schwerwiegender scheint mir die Lähmung, die von der Zukunftsangst ausgeht und somit eben gerade die Zukunft dieses Landes schädigt…

    „Wer Angst sät, wird Feiglinge ernten.“ – Erhard H. Bellermann, Gedankenreich

  2. kornecke Beitragsautor

    Tja, die Alternativen zum ‚Sanierungsfall Deutschlnad‘ wären wohl ‚Le Grande Nation‘ oder das beliebte ‚God bless America‘. Kommt hierzulande allerdings beides auch nicht so richtig gut an (‚Wir sind wieder wer‘).

    Alternativen?

  3. keva

    Ach, wenn die Deutschen nicht mehr jammern würden, wüsste man sicher, dass es ihnen schlecht geht. Bisher klingt’s doch noch ganz gut. Klinsmann hat sie ein bisschen aus der Bahn geworfen, aber das gibt sich schon wieder.

    Ich behaupte mal, dass Geiz nicht ursächlich mit Zukunftsangst zu tun hat, sondern mit Anspruchs- und Sicherheitsdenken – und da sind die Deutschen wirklich Weltmeister. Geiz ist ja nur deshalb geil, weil ihn sich nicht jeder leisten kann. Sei mal geizig, wenn du nichts hast, dann schenk ich dir 50 Euro.

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