Archiv der Kategorie: Senf

– Tatortkritik: Nasse Sachen

Mitunter sind die Freitäglichen Tatortkritiken ja sehr schön gelungen, diesmal aber regt sich beim Lesen nur blanker Widerspruch.

Zuerst mal: Ein spannender Krimi. Zunächst: Nicht übertrieben komplex; im Gegenteil angenehm, dass man abends dem Fernsehen ein wenig Aufmerksamkeit widmen muss, um dem Geschehen selbständig zu folgen. Und überhaupt: Als die Saalfeld’sche Familienverwicklung dazukam, fand ich das zuerst auch einen Tropfen zuviel Dramaturgie – aber binnen Minuten hatte sich das erledigt und am Ende hat die Geschichte gestimmt.

Matthias Dell macht Nasse Sachen in seiner Freitag-Tatortkritik zu einer politischen, gewollten Ost-West-Geschichte. Das ist sie aber nicht in erster Linie. Das ‚Anliegen‘ erschlägt diesmal eben nicht, wie sonst gerne gemacht im Sonntagabendkrimi, die Story. Am Ende sind es eben doch nur Menschen, Familien und Kriminelle – natürlich jeweils mit einer Vergangenheit.

Ich meine: Das passt. Passt gut. Vier Punkte.

– Tatortkritik: Gestern war kein Tag

Ich schrieb ja letztens, die Münchener Tatorte hätten regelmäßig gute Drehbücher aber eher mittelmäßige Kommentare. Ersteres stimmt, letzteres muss revidiert werden.

Tatsächlich stechen die Kommissare Batic & Leitmayr nicht durch besondere (von Frisuren abgesehen) Auffälligkeiten oder Macken heraus. Im Gegenteil treten sie einen, oder gar mehrere Schritte hinter die Geschichte zurück – was dem Tatort als ganzes durchaus gut tut.

Und dann zeichnen sich die bayrischen Tatorte auch immer wieder aus durch Glaubwürdigkeit, unspektakuläre Inszenierung und im besten Fall gar moralisches Dilemma. Es sind keine schwarz-Weiß Geschichten.

So auch diesmal: Der Umgang mit dem dementen Großvater, der oft genug aber sehr genau weiß, was er tut, löst nicht einfach Mitleid aus sondern zwingt den Zuschauer ebenso wie die Kommissare zur geradezu hilfloser Differenzierung. Die Situation der Familie ist tragisch, doch sind es keine tragischen Figuren, die uns vorgestellt werden sondern durchaus kraftvolle, selbstbestimmte Charaktere. Die Situation der Bulgarinnen ist nachvollziehbar, aber ebenso nachvollziehbar die Aufgabe von Batic & Leitmayr, die ‚zerstören‘ müssen.

Und, ungewohnt: Ein Stück weit spannend ist der Tatort auch noch. Diverse Motive und Gelegenheiten, am Ende doch eine halbe Überraschung. Allein die einzige eindimensionale Figur, den windigen Anwalt (ja, diese Art Charakter hatten wir letzte Woche schon), hätte man sich sparen und dem Ende den süßen Beigeschmack nehmen können. Womöglich wäre dieser Tatort dann noch länger in Erinnerung geblieben.

So sind’s vier Punkte.

– Tatortkritik: Ausgelöscht

Unterhaltsam: Ja. Spannend: Nein. Was wird aus dem Sonntagabendkrimi?

Nuja, womöglich ist der Tatort schon länger weniger Krimi als vielmehr Gesellschaftsstudie, bzw. einfach gute Unterhaltung – und mir hat nur keiner Bescheid gesagt. Trotzdem: Ein spannender Krimi, gar Thriller mal wieder, es wäre eine Freude. (Warum nur hört Kuturlus auf?!)

Nuja, Wien: Bibis ‚Integration‘ als neue Assistentin ist durchaus gelungen, die Anspielung auf den Ersatzkandidaten bissig. Durch Eisners eigene Gesundheitsprobleme haben sich die dauernden Referenzen auf Bibis Alkoholproblem quasi auch erledigt, es herrscht eine Art Patt zwischen den beiden Akteuren. Sehr schön auch die quasi-Integration von Bibi in die Familie Eisner.

Nuja, die Story: Einbrüche, Verrat, bulgarische Mafia, ein halbseidener Anwalt, der (wenig) überraschende Twist am Ende. Etwas wirr, nicht immer logisch, nicht sehr spannend. Ein richtiger Krimi ist das nicht. Aber wie oben schon vermutet: Vielleicht will und soll das der Tatort auch nur in zweiter Linie sein.

Nuja: Drei Punkte.

– Tatortkritik: Der illegale Tod

Wie heißt es so schön: Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht.

Und zu mehr als gut gemeint reicht es bei diesem Tatort nicht. Alles andere war schrecklich durcheinander, unlogisch, unglaubwürdig, unspannend. Das fing mit den ersten Szenen an, die sowas wie einen Hollywood-Politikthriller zu kopieren versuchten aber handwerklich einfach schlecht gemacht waren. Das ging weiter mit diesem unmotivierten und fast peinlichen ‚Alte Freunde machen einen drauf‘-Abend (Stedefreunds ‚Ja, das war eine Dummheit‘ klang fast nach Mommsens Entschuldigung, die Szene so gedreht zu haben) und der C-Klasse Figurenkonstellation als Bootsbesatzung (mit dabei: ein Frankfurter Psycho-Kommissar, der offensichtlich zur Bremer Wasserschutzpolizei versetzt wurde). Das endete in dem dramatischen Höhepunkt auf dem Katamaran der so komplett wirr war, dass bestimmt keinerlei Spannung aufkam. (Über den Mutter-Tochter-Konflikt, den Frontex-Chef und die Darstellung der Asylbewerber hüllen wir den Mantel des Schweigens…)

Immerhin konsequent: Da hat Radio Bremen aus einem gruseligen Thema einen gruseligen Tatort gemacht: Un point.

PS: Und laut Stralauer Tatort-Altmeister auch noch schlecht geklaut.

– Tatortkritik: Eine bessere Welt

Neue Kommissare in FF/M. Wo sich vormals an Frau Sawatzki die Geister schieden, ist nun das voraussichtlich nicht minder kontroverse Duo „Lara Croft & Dirty Harry“ unterwegs.

Tatort-Personalwechsel sind extra spannend. Der Teil der Story, den man normalerweise gut kennt, ist komplett neu. Ergo konzentriert sich dieser Tatort auch auf die neuen Ermittler – ohne dabei allerdings den Krimi zu vernachlässigen. Und auch wenn das Duo einsamer Wolf & junges Ding nicht erst gestern erfunden wurde, ist diese Umsetzung durchaus gelungen. Die Charaktere sind ein Stück Klischee, jedoch nicht übertrieben und angenehm individuell im Stil. Nina Kunzendorf & Joachim Król geben zwei gelungene Kommissare Mey & Steier.

Was braucht ein guter Tatort außerdem? Einen spannenden Krimi (jupp, langweilig war es sicher nicht), einen bösen Bösewicht (großartiger Psychopath: Justus von Dohnányi) und nach Möglichkeit noch einen Aufreger (schrecklicher Unsympath: Polizeipsychloge Behnken).

Macht in Summe: Souveräne vier Punkte. Und Vorfreude auf den nächsten Frankfurter Tatort.

– Tatortkritik: Herrenabend

Münster: Die Komiker unter den Tatortkommissaren.

Nicht falsch verstehen, die Tatort-Folgen mit Thiel und Börne (und dem restlichen Team) sind immer sehr unterhaltsam. Aber zumindest gestern war das fast nur dem großartigen Ermittler-Ensemble zu verdanken, denn der Kriminalfall an sich war im Grunde nicht mal ein Krimi. Ermittlungen haben quasi nicht statt gefunden, die neuen Erkenntnisse kamen aus dem nichts. Warum wurde der Zahnarzt überwacht? Woher wusste Thiel, wo man zum Geldübergabe-Treffpunkt abbiegen musste? Warum waren Klarbachs Fingerabdrücke an Bergers Auto? Was genau wollte Berger mit dem Rucksack voller Geld in Bulgarien?
Aber egal: Prahl, Liefers & Co spielen großartig und könnten wahrscheinlich auch aus dem Alltag an der Aldi-Kasse eine unterhaltsame Tatort-Folge machen. Solange da nicht die Darsteller ausgewechselt werden, können das wohl nicht weniger als drei Punkte werden.

– Tatortkritik: Grabenkämpfe

Wer ‚Stuttgart‘ sagt, muss auch ’21‘ sagen. In diesem Sinne meldet sich also auch der Tatort aus der Schwabenmetropole zu Wort.

Ok, es ging nicht direkt um Stuttgart 21, aber thematisch ähnlich gelagert: Grundstücke in Innenstadtlage sollen umgewidmet werden vom alternativen Kulturprojekt zum gewinnbringenden Investment. Wobei der Plot eigentlich egal war, schön waren die Charaktere.
Da die Stuttgarter Ermittler an sich eher wenig Eindruck hinterlassen, wollten die Tatort-Macher offensichtlich mit den restlichen Akteuren etwas Farbe ins Figurenensemble bringen. Und es ist ihnen gelungen: Der Immobilienmogul(?), sein Anwalt, der Alt-Hippie, die Krawall-Stadträtin (parteilos, soviel Tatort-Neutralität muss sein) und last but not least der schwule Kunstkenner/ Jogalehrer/ Liebhaber. Keiner der Charaktere ist ins Klischee abgerutscht und doch hatten sie einen hohen, vielleicht unnatürlich hohen, Unterhaltungswert.
Dazu eine Spitze gegen den populären Münsteraner Pathologie-Kollegen und die Terasse-Sonnenseite-Häuslekäufer. Nicht besonders spannend, aber überaus unterhaltsam. So gesehen gehoberen Durchschnitt, gute drei Punkte.

– Tatortkritik: Ein todsicherer Plan

Ja, eigentlich keine Tatort- sonder eine Polizeirufkritik. Aber so ganz klar ist mir der Unterschied eh nicht – und den meisten wahrscheinlich auch egal.

Warum lässt man einen Hauptkommissar anschießen und eine halbe Folge im Krankenhaus liegen? Kann man machen um den Charakter aus der Serie ausscheiden zu lassen, aber sonst?
Auch sonst hatte der Fall, im Grunde ein klassisches Tatort-Szenario, dramaturgisch einige Ungereimtheiten. Und vor allem: Es war keine Spur spannend. Dass einer aus dem unglücklichen Trio Mutter, Vater, Anwalt mit der Entführung zu tun haben könnte, lag in der Luft. Und am Ende ein dramatisches Zusammentreffen des Täters mit dem Strippenzieher: Wo bloß, haben wir das schon mal gesehen? Und hieß Lissi zuletzt nicht Amelie und war statt Millionärstochter obdachlose Herumtreiberin?

Naja, für die konkreten Wiederholungen kann man diesem Polizeiruf kaum die Schuld geben, sie zeugen aber dennoch von einem einfallslosen Drehbuch. Einzig Frau Gerschke als Oberkommissarin Lindner war ein Lichtblick im doppelten Sinne – und verhilft dieser eher drögen Veranstaltung zu doch noch zwei Punkten.

Nachtrag: Der freitag hat diese Woche (auch) eine sehr schöne Kritik.

– Tatortkritik: Jagdzeit

Die Münchner kriegen fast immer gute oder gar sehr gute Drehbücher. Warum auch immer; von den Kommissaren an sich würde man ja meinen, sie sind eher so Tatort-Mittelklasse.

Erstaunlich, in Jagdfieber ging es nicht um das gesellschaftlich umstrittene Thema Jagd – da hätte ich doch einen halben Kasten Weißbier drauf verwettet. Statt dessen ging es im zwei Frauen – bzw. um eine Frau und ein Kind, das im Grunde aber schon nicht mehr Kind war.
Anderswo liest man, dass das Sozialdrama übertrieben und die Darstellung der Verhältnisse eindimensional gewesen sei. Das mag im Grunde stimmen, aber für die Hauptfigur – die 13-jährige ‚Nessi‘ – macht das keinen wesentlichen Unterschied. Das Mädchen geht mit ihrem Leben einfach um und entwickelt dabei eine Intelligenz/ Routine/ Abgeklärtheit, dass man einerseits erschrocken, andererseits aber auch froh ist: Darüber, dass es kein Drama sondern Alltag ist.

Schön gemacht auch die nur lose Verknüpfung des eigentlichen Krimis mit dem restlichen Plot. Hier steht die Frau des Toten (ist es dann schon eine Ex-Frau?) im Mittelpunkt. Wenn so der subversive(?) Vergleich gezogen wird zwischen dem Umfeld des 13-jährigen Mädchen und dem der „Barock-Barbarella mit altoettinger Zungenschlag“ (rp-online), fragt man sich doch zu Recht, wo denn nun tatsächlich soziale Missstände herrschen. Vier Punkte.