kornecke.de » cinema   » kritiken



Troja


Troja, Wolfgang Petersen, 2004

Wolfgang Petersen hat es geschafft: Mit Troja ist er der zweite Deutsche im Hollywood-Olymp; neben Roland Emmerich, der mit Independence Day den Durchbruch schaffte und dessen neuestes Werk The Day After Tomorrow in Kürze anläuft. Aber offensichtlich ist es mehr als nur ein Vorurteil, dass die Filme etwas verlieren, wenn gute junge Regisseure für die großen Studios Multimillionen-Projekte inszenieren. Petersen hat 1981 mit Das Boot seinen vielleicht besten Film gemacht, Emmerichs Arche Noah Prinzip war 1984 weniger erfolgreich, aber vielleicht noch bemerkenswerter.

Troja ist ganz sicher kein schlechter Film. Ohne Frage ist er ein würdiger Vertreter des mit Gladiator neu erstandenen Sandalenfilms. Die Stärken des Filmes liegen in dem, was er von Homer übernimmt wie in dem, was er nicht übernimmt.
Beachtlich ist es, dass Emmerich der Vorlage treu bleibt, in dem er keinen Helden als Sympathieträger nach Troja schickt. Ohne Zögern hätten eine Reihe von Regisseuren zu einem dicken Pinsel gegriffen und eine einfache, zweifarbige Zeichnung entworfen, die dem Zuschauer schnell klar gemacht hätte, wo er Sympathiepunkte zu verteilen hat und wo nicht. Petersen stellt die Achilles-Figur zwar weitestgehend in den Mittelpunkt und baut den Helden auch als Identifikationsfigur auf, doch ist Achilles eben kein amerikanischer Held wie es der Gladiator war. Achilles will kein Vaterland beschützen, keine Ehre gewinnen oder gerechte Kriege führen. Achilles ist einfach eitel. Der Wunsch nach Ruhm ist sein Antrieb - und sein Verderben. Bei der Zeichnung der Charaktere, ihren Antrieben, ihren Konflikten und ihrer Vielseitigkeit bleibt Petersen damit nahe an Homers Intention.

Wo er deutlich von der Vorlage abweicht, tut er dies aus kluger Vorsicht. Die Götter spielen in Petersens Film quasi keine Rolle - Troja ist in gewisser Weise ein sehr säkularer Ort. Das tut dem Film keinen Abbruch; die Geschichte funktioniert und ist nicht weniger spannend. Andererseits wäre es ein hohes Risiko gewesen, aktiv handelnde Götter in den Film einzubringen - ein Risiko, das Petersen mit gutem Grund scheute.

Doch warum funktioniert der Film dann nicht richtig? Woran liegt es, dass der Zuschauer den Film nur als teilnahmsloser Beobachter und nicht als gebannter Beteiligter erlebt? Zum einen ist das die Kehrseite der obigen Medaillie: Wenn es keine echte Identifikationsfigur und keinen einfachen Feind gibt - mit wem sollten wir dann warum mitfiebern? Es ist schwierig, den Zuschauer in den Bann zu ziehen, wenn man eine Geschichte objektiv erzählen will; Petersen schafft diesen Spagat nicht.

Doch die Story des Filmes hat noch ein anderes großes Manko: Es mangelt an dramatischen Höhepunkten. Von einer Szene zur nächsten geht die Erzählung gemächlich voran, ohne besondere Spitzen oder Überraschungen. Man mag es Petersen anrechnen, dass er die Ilias nicht auf einzelne Höhepunkte verdichtet und sich auf eine vereinfachte Handlung konzentriert hat (jedenfalls nicht mehr, als es für eine Kinofassung des Epos' nötig war), doch dadurch fehlt es dem Film an der nötigen Dramatik. So weiß man nicht nur nicht, mit wem man wann mitfiebern sollte - man kann auch nicht sagen, wann.

Darüberhinaus leidet der Film (v.a. in der ersten Hälfte) an einem handwerklichem Makel: Die Szenen sind teilweise sehr schlecht geschnitten, der Zuschauer wird dadurch geradezu verstört. Die Vermutung liegt nahe, dass Petersen seinen Film am Ende der Produktion noch einmal raffen, also zusammen schneiden musste. Schwer zu sagen, ob eine ausführlichere Einführung dem Film eher genutzt oder geschadet hätte - dass die Schere zuletzt aber womöglich nochmal angesetzt wurde, schadet definitiv dem Fluss des Filmes.

Aber wie gesagt: Der Film ist nicht schlecht - er ist sogar ziemlich gut. Bemerkenswert ist Brad Pitt in der Rolle des Halbgottes Achilles. Die Leistung, die er liefert, ist zweifellos seine neue Paraderolle - und durchaus vergleichbar mit dem, was z.B. Heston in Ben Hur leistete. Ebenfalls mal wieder großartig: Sean Bean als listiger Achilles.

Unterm Strich ist Troja kein großer Wurf - aber ordentliches Sandalenkino mit Bildungsfaktor allemal.