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Sophie Scholl - Die letzten Tage


Sophie Scholl - Die letzten Tage, Marc Rothemund, Deutschland 2005

Der Untergang, Der neunte Tag, Napola - der gemeine Nazi-Film scheint im Trend. Sollte man sich jetzt auch noch Sophie Scholl - Die letzten Tage anschauen? Ja, sollte man.

Marc Rothemund (bisher eher mit wenig anspruchsvollen Komödien im Kino vertreten) erzählt die letzten fünf Tage der Geschwister Scholl: Das Drucken und die Verbreitung von Flugblättern, die Festnahme, das Verhör, der Prozess, die Hinrichtung. Zentrale Figur ist dabei die titelgebende Sophie Scholl - ihr Bruder, der Polizist, der sie verhört und eine Mitinhaftierte treten als wichtige Nebencharaktere in Erscheinung, das Hauptaugenmerk des Films liegt aber immer wieder auf der 21-Jährigen.

Und Julia Jentsch, die zuletzt in Die fetten Jahre sind vorbei beeindruckte, schafft es, die Rolle und damit den Film auszufüllen. Ihre Darstellung der jungen, überzeugten, unbeugsamen Sophie ist eindringlich, großartig. Auch Fabian Hinrichs, als Hans Scholl, und Gerald Alexander Held, als Beamter der Staatspolizei, überzeugen - doch können sich gegen Jentsch' intensive Präsenz nur schwer behaupten. Zwiespältig bleibt allein die Figur des Richter Freisler. Verkörpert von André Hennicke wird man den Eindruck nicht los, Regisseur oder Darsteller seien sich nicht sicher gewesen, wie sie eine derartige Persönlichkeit zu interpretieren haben. Als Präsident des sogenannten "Volksgerichtshofes" ist Freisler als 'Blutrichter' der NS-Diktatur in die Geschichtsbücher eingegangen - seine Darstellung im Film ist aber - auf irritierende Weise - nicht wirklich überzeugend.

Der Film konzentriert sich v.a. auf die Tage, in denen Sophie und Hans Scholl von der Gestapo verhört wurde. Während beide anfangs leugnen und Sophie ihr Gegenüber auch fast von einer Verwechslung überzeugen kann, verteidigt sie ihre Taten später um so entschlossener. Während der Gestapo-Mann Mohr mit allen Mittel versucht, sie dazu zu bewegen, weitere Namen der Gruppe zu verraten, entspinnt sich zwischen den beiden zeitweise eine intellektuelle Auseinandersetzung, die an das kammerspielartige Der neunte Tag erinnert. Doch sind die Auseinandersetzung zwischen Sophie Scholl und Robert Mohr nicht die theologisch-politischen Dispute zwischen Pater und promoviertem Untersturmführer. Der Gestapo-Mann Mohr ist politisch überzeugter Polizist, der ohne jede Einschränkung an das Regime und dessen Propaganda glaubt. Die junge Studentin Scholl dagegen ist junge, politische Idealistin.
Mitunter klingen Sophies Worte fast überzogen pathetisch, wie zitiert aus einem Manifest. Doch dann wird einem bewusst, dass es - übrigens ebenso wie in der Diskussion der jungen "Revolutionäre" mit dem Alt-68er in Die fetten Jahre sind vorbei - keine abgelesenen Phrasen sind, sondern echter jugendlicher Idealismus, der sie umtreibt. Die Starrköpfigkeit und die Kompromisslosigkeit mit der Ideale vertreten und die Konsequenzen akzeptiert werden sind keine Erfindung Marc Rothemunds oder Sophie Scholls - es ist echte jugendliche Überzeugung, die wohl viele erlebt und die viele belächelt oder auch verflucht haben. Ist es die Bewunderung der Stärke dieser jungen Frau oder die Erschütterung über die Konsequenzen, die sie nicht nur akzeptiert sondern gar einfordert, die einen derartig mitnimmt?

Sophie Scholl - Die letzten Tage ist weit weniger ein intellektueller Diskurs als bspw. Der neunte Tag (der Vergleich zwischen diesen beiden gelungenen, so ähnlichen und doch ganz verschiedenen Filmen drängt sich immer wieder auf); Rothemunds Film ist schneller, in gewisser Weise flacher als Schlöndorffs Drama - was nicht zuletzt auch an der effektvollen, aber stimmigen Musik und dem schnellen Schnitt liegt. Wo der eine Film eher Boxkampf ist, ist der andere ein Sprint. Doch so oder so ist die Spannung aufreibend, der Schrecken spürbar, weniger im eigentlichen Bild als in der Situation.

"Aber hier müssen Sie hier verdammt nochmal die Wahrheit sagen!" - der Gestapo-Mann knallt das Gesetzesbuch bei diesen Worten auf den Tisch. Ernsthaft entsetzt darüber, dass es jemand wagt, derartig dauerhaft und aufrecht für das einzustehen, was dem Gesetz widerspricht, das Gewissen jedoch befiehlt. Diese Szene, in welcher der Zuschauer - in der felsenfesten Überzeugung, dass man dort so was von gar nichts sagen muss und wenn es dreimal gegen die Gesetzte ist - fast amüsiert ist über die Erregung des regimetreuen Beamten, ist beispielhaft für den Film.
Zum einen zeigt sie die Kraft, mit der der Film einfach und intuitiv die Schrecken und tiefste Ungerechtigkeit des NS-Systems aufzeigt, zum anderen lässt sie den "Optimismus" keimen, mit dem der Kinobesucher das Kino verlässt. Denn, und das ist tatsächlich überraschend, es ist nicht in erster Linie ein trauriger Film. Wenn stellenweise auch echt ergreifend, so bleibt am Ende ein Gefühl des Trotzes, der Stärke, des Optimismus. Man merkt, wie Recht Hans Scholl hatte, als er kurz vor der Hinrichtung sagt "Es war nicht umsonst".