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Shrek 2 (mit Vorfilm)




Es begab sich vor nicht allzu langer Zeit, dass sich im Königreich des Films drei wohlhabende Männer zusammentaten um etwas zu wagen, was seit Ewigkeiten nicht mehr geschehen war: Sie begründeten ein komplett neues, eigenständiges Filmstudio; und sie nannten es "Dreamworks SKG". Diese drei Männer, deren Initialen SKG nun für immer im Namen des neuen Studios verewigt waren, waren keine Unbekannten im Königreich des Entertainment.

Der bekannteste von ihnen, Steven Spielberg, war (und ist) einer der erfolgreichsten Regisseure der Welt, unzählige Kinoerfolge gehen auf sein Konto. Nun endlich wirklich unabhängig von den produzierenden Studios arbeiten zu können, war für ihn zweifelsohne eine Bereicherung.
Weniger bekannt als Spielberg war David Geffen. Im Gegensatz zu seinen beiden Mitstreitern kam er nicht aus dem Filmgeschäft sondern aus der Musikindustrie, wo er allerdings - nach Zusammenarbeit mit Größen wie Bob Dylan, James Brown , Guns N' Roses oder Nirvana - einer der einflussreichsten und wohlhabensten Männer der Branche war. Geffen, der laut Forbes-Magazin auf der Liste der reichsten Personen der USA auf Platz 40 steht, hat vor kurzem beschlossen, dass er mit einem Vermögen von 4 Milliarden Dollar kein weiteres Geld mehr benötigt und seine Einkünfte in Zukunft zu großen Teilen an gemeinnützige Organisationen spenden wird. Für die neugegründete Dreamworks-Traumfabrik waren allerdings nicht nur Geffens Vermögen, sondern v.a. seine Kontakte in der Musikindustrie ein unschätzbarer Vorteil. Die Zeiten, in denen sich ein großes Hollywood-Studio darauf beschränken konnte, gute Kinofilme zu produzieren, sind lange vorbei. Heute sind Geschäfte in Musikindustrie, Kabelfernsehen, Merchandise und vielen anderen Zweigen der Unterhaltungsindustrie für einen solchen "Big Player" überlebensnotwendig.

Der dritte Teilhaber des SKG-Trios hatte v.a. sehr persönliche Motive, in einem neuen großen Studio neue Partner zu finden: Jeffrey Katzenberg war kurz zuvor beim Disney-Konzern entlassen worden, nachdem er dort über Jahre für die Animationsabteilung und damit für Erfolge wie König der Löwen, Aladin oder Die Schöne und das Biest verantwortlich gewesen war. Doch hatte er sich - ohne eigenes Zutun, wie es heißt - mit dem CEO und Chairman der Disney-Company, Michael Eisner überworfen. Bei dem Streit zwischen den beiden ging es zuletzt kaum noch um inhaltliche Fragen; vielmehr war es zu einer persönlichen Fehde zwischen den beiden gekommen, bei der mit Beleidigungen nicht gespart wurde - wie sich u.a. bei der Klage, die Katzenberg nach seinem Rauswurf gegen seinen ehemaligen Chef anstrengte, herausstellte.

Katzenberg sah nun mit Dreamworks seine Chance gekommen, es Eisner zu beweisen. Er machte sich für eine eigene Animationsabteilung innerhalb des Studios stark und schon bald begann die Produktion eines Zeichentrickfilmes, der kaum noch etwas mit dem zu tun hatte, was Katzenberg in der Vergangenheit bei Disney produziert hatte: Der Prinz von Ägypten war der erste große amerikanische Animationsfilm, der sein Publikum nicht in erster Linie bei den jüngsten Zuschauern sucht. Katzenberg selbst soll sich dafür ausgesprochen haben den Film nicht mit einem G-Rating ("General audience", also ohne Altersbeschränkung) freizugeben.

Der Film, der mit einem Budget von 60 Millionen Dollar produziert worden war, spielte an den Kinokassen mehr als das Doppelte ein; was keine Sensation aber für ein derartig neuartiges Projekt immerhin ein Achtungserfolg war. Und vielleicht noch wichtiger: Katzenberg hatte bewiesen, dass Animationsfilme eben keine Verniedlichungen und singende Tiere brauchen und - was man bis heute in Deutschland nicht verstanden hat - dass anspruchsvolle Zeichentrickfilme eben kein Widerspruch in sich sind.

Mit dieser Erfahrung gewappnet und nach den ersten Erfolgen des Pixar-Studios, das unter der Leitung des ehemaligen Apple-Chefs Steve Jobs die ersten vollständig im Computer animierter Filme in abendfüllender Länge produzierte, das aber auch mit Katzenbergs ehemaligen Arbeitgeber Disney als Vertriebspartner (welcher bis heute mehr als die Hälfte der Gewinne aus Pixar-Produktionen einstreicht) zusammen arbeitete, begann man bei Dreamworks mit der Produktion eines Filmes, der das Animations-Genre noch mehr verändern sollte, als es Der Prinz von Ägypten getan hatte: Shrek war geboren.

Shrek brach mit allem, was bei Disney eiserne Regel gewesen war. Die großen Erfolge der Disney-Company waren jeher Adaptionen bekannter Märchen oder vergleichbar populärer Klassiker der Weltliteratur gewesen. Und so erzählt auch Shrek ein Märchen; und zwar eines, das alle Klischees des Märchenerzählens und insbesondere die Klischees der Disney-Märchen parodiert: Der schreckliche Drache ist in Wirklichkeit eine an Liebesentzug leidende Drachendame; der witzige, knuffelige Begleiter des Helden ist ein nervtötendes Grautier; wenn der Fluch der Prinzessin - die Bildschöne verwandelt sich jede Nacht in eine hässliche Oger-Frau - gebrochen wird, bleibt sie für immer ein Oger und wenn ein herzzereisendes Lied angestimmt wird, dann… nunja.

Doch damit nicht genug. Seine ganz persönliche Genugtuung verschaffte sich Jeffrey Katzenberg in Form der Figur des Lord Farquaad, Herrscher über das 'wunderschöne' Duloc (-Land). Michael Eisner - bis heute CEO bei Disney - wird nicht nur eine gewisse Arroganz und Selbstherrlichkeit nachgesagt, auch die Gesichtszüge des kleinen Lord, der am Ende von der liebestollen Drachendame verspeist wird, sollen gewisse, nichtzufällige Ähnlichkeiten mit Katzenbergs ehemaligen Chef aufweisen…

Der Rest ist Geschichte: Shrek wurde ein Riesenhit. Allein an der amerikanischen Kinokassen erreichte er Einnahmen von über 250 Millionen Dollar und wurde damit einer der 25 erfolgreichsten Filme in den USA (und der Nachfolger hat dieses Ergebnis schon jetzt weit übertroffen). Diesen Erfolg kann man den Dreamworkern, und v.a. Jeffrey Katzenberg, voll und ganz gönnen. Zusammen mit Pixar, deren Vertrag mit Disney demnächst ausläuft und wo eine weitere Zusammenarbeit höchst unwahrscheinlich scheint, hat das Studio das Animations-Genre (wieder-) belebt. Ohne Zweifel waren (und sind) Disneys Trickfilme großartige Werke, doch den Schritt vom Vorweihnachts-Kinderfilm zur Erwachsenen- bzw. Familienunterhaltung hätte Disney von allein wohl kaum so schnell gemacht.

Und genau hier liegen auch die Stärken von Shrek 2. Es ist die Fülle von Ideen, die dem Zuschauer Tränen in den Augen und Krämpfe im Magen bescheren. Nicht die Geschichten sind das Potential der Shreklichen Filme, hier sind die Autoren von Pixar ungeschlagen, es sind die liebevollen Details, die wunderbare Gestaltung und der ungeheuer kreative Umgang mit altbekannten Klischees, die die Erzählungen um den grünen Oger auszeichnen. Ents beim Armdrücken, der kopflose Nick, die Geheimwaffe des gestiefelten Kater und die Wahrheit über die guten Fee - das und einiges mehr erwartet den Besucher von Shrek 2. Dass dabei mitunter, stärker noch als im ersten Teil, die Story auf der Strecke bleibt, verzeiht man gern. Atemberaubend auch die optische Vielfalt, die technische Meisterleistung die der Film bietet. Seit Toy Story sind keine zehn Jahre vergangen, aber was Findet Nemo und Shrek 2 bieten, schien damals unvorstellbar. Beim aufmerksamen Betrachten kann man feststellen, dass noch im ersten Shrek nie allzu viele Figuren gleichzeitig am Geschehen beteiligt sind, die Szenen wirken - mit heutigen Augen gesehen - mitunter sonderbar leer. Wenn Shrek und Fiona sich nun durch den Verkehr der Hauptstadt des Königreiches Weit Weit Weg schlagen müssen um bei Fionas Eltern den Segen für ihre Ehe zu erlangen, den es natürlich nicht so einfach gibt, weil diese eine ganz andere Zukunft für ihre Tochter geplant hatten und die gute Fee auch noch ihre Hände im Spiel hat, dann kann man sich gar nicht satt sehen an all den Kleinigkeiten, die überall über die Leinwand schwirren.

Bei all dem - und damit bleibt auch dieser Animationsfilm gewissermaßen in bester Disney-Tradition - vergisst Shrek 2 jedoch ebenso wenig wie sein Vorgänger die Botschaft, die der Antiheld, vermitteln will (und soll). Dass es am Ende nämlich immer das beste ist, auf sein Oger-mäßiges Inneres zu hören - egal was einem eingeredet und herbeigezaubert wird. Und das wiederum macht den Film nicht nur zu einem guten Kinderfilm (obwohl es den Eltern auch ganz Recht sein wird, wenn die Kleinen nicht jeden Witz verstehen) sondern auch zu einem klassischen feel-good-Movie, der uns davon überzeugen kann, dass das Gute gewinnt und die Welt gar kein so schlechter Ort ist; auch in nicht ganz so Weit Weit Weg…