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Findet Nemo


"There are 3.7 trillion fish in the ocean, they're looking for one." Ziemlich blöder Werbespruch. Und: es gibt 3,7 Trillionen Trickfilme (naja, vielleicht nicht ganz), warum soll man ausgerechnet diesen sehen? Weil er in den USA der erfolgreichste Animationsfilm aller Zeiten ist? Nein - trotzdem.

Wer weder das große Krabbeln, noch Toy Story oder Monster AG gesehen hat und "Pixar" bisher ahnungslos eher für einen neuen Staubsauger als für ein Animationsstudio gehalten hätte, wer Trickfilmen (wie die früher ja hießen) im allgemeinen sowieso nichts abgewinnen kann, für den birgt Nemo die große Chance, sich eines besseren belehren zu lassen. Wer Pixars bisherige Werke kennt und liebt und eher befürchtet, dass auch die Besten irgendwann den selbst gesetzten Maßstäben nicht mehr gerecht werden können, dem sei versprochen: sie haben es noch einmal geschafft.

Zum einen sind die Bilder der fantasie- und humorvoll geschaffenen Unterwasserwelten genial schön. Wer schon einmal getaucht ist, wird zugeben, dass Pixars Ozean der Realität näher zu kommen scheint als echte Aufnahmen mit einer Unterwasserkamera. Weil "bunt" unter Wasser eben andere Dimensionen bekommt, und genau die lotet der Film genüsslich aus. Wer mag, kann natürlich auch die computertechnische Umsetzung bestaunen. Leider wird Nemos unfreiwilliger Ausflug in die Menschenwelt, genauer gesagt in das Aquarium einer australischen Zahnarztpraxis, weniger liebevoll gestaltet. Vielleicht ist es auch nur logisch, dass aus Nemos Perspektive Fische, Wasserschildköten, Wale, Möwen und selbst Albatrosse menschlicher erscheinen als Zahnärzte und Zahnspangen tragende Monster-Mädchen.

Die schönsten Bilder und Animationen taugen nichts, wenn die Charaktere stimmlich nicht lebens- und animationsnah umgesetzt werden. Das ist in der englischen Fassung gelungen, und die deutschen SprecherInnen lassen Gutes ahnen (z.B. Anke Engelke als liebenswürdig unausstehliche Fischfrau Dorie). Bleibt zu hoffen, dass die Übersetzer sich auf übersetzbare Gags beschränken und das notwendige Fingerspitzengefühl für die Gratwanderung zwischen Klamauk und Ernst besitzen.

Und die Handlung? Ach ja: Nemo ist ein kleiner Clownfisch, so ein oranger mit weißen Streifen. Aber das ist ja momentan auf keinem Trinkbecher zu übersehen. Weil der nach dem Tod seiner Mutter und all seiner x-tausend Geschwister von seinem Vater großgezogen und verzweifelt geliebt wird, folgt Papa Marlin seinem verlorenen Sohn quer durch den Pazifik bis nach Sydney, wo Nemo aus bereits erwähntem Aquarium gerettet werden muss. Und dann ist da noch Doktorfisch-Frau Dorie, die ihr Kurzzeitgedächtnis verloren hat und (sich) dann irgendwann doch merkt, worum es eigentlich geht (in mehrerlei Hinsicht). Und die anomymen Fischfresser um Hai Bruce, die die eigentliche Botschaft des Films verkünden: "Fish are friends, not food". Als Fischfreundin weiß ich natürlich, dass deren wahre Tiefe und Tragweite erst zukünftige Generationen voll erkennen werden... ;o)

Fazit: "Finding Nemo" ist ein neues Pixar-Kunstwerk, das vergnügliches Familienkino, gestalterische wie computeranimatorische Meisterschaft, überraschend tiefgründigen Humor und eine rührselig-ernste Vater-Sohn-Geschichte gelungen unter einen Hut bringt.

Da auf das philosophisch-soziologische Zukunftspotential des Films bereits hingewiesen wurde, hier noch eine Anregung für "Nemo 2": Clownfische leben in strengen Hierarchien, an deren Spitze das größte Weibchen steht. Um an die Spitze zu gelangen, vermögen Clownfisch-Männer mit Potential sowohl Größe als auch Geschlecht entsprechend anzupassen. Ich wette, Nemo schafft das!



Autor: eva Wertung: 9 / 10 Gesehen am: ?. August 03



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