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Kill Bill: Vol. 2


Kill Bill: Vol. 2, Quentin Tarantino, 2004

Quentin Tarantino ist ein überaus cooler Regisseur; seine Filme im durch und durch positiven Sinne dargestellte Coolness. Mit Reservoir Dogs überraschte er und mit Pulp Ficition errang er den (Kult-)Status, den er heute besitzt.

Tarantinos Filme sind im Kern allesamt Musikfilme. Reservoir Dogs macht das bereits in der ersten Szene deutlich und auch sonst wird man immer wieder daran erinnert, dass Tarantino ein Musik-Freak ist, insbesondere ein Liebhaber der 70er. Ebenso ist Kill Bill: Vol. 2 genaugenommen ein Musikfilm. In kaum einem anderem Spielfilm wird Musik so sehr als Mittel eingesetzt, wie hier. Die Musik unterstreicht nicht nur die Handlung und erzeugt die angemessene Stimmung, vielmehr zeigt sie auch überdeutlich das Innenleben der Charaktere, wechselt teilweise mit jedem Schnitt und benutzt Songtexte als inhaltliche Statements. Gewissermaßen übernimmt die Musik die Rolle eines Erzählers, der durch Tonfall, Erzähltempo und Kommentare aus dem Off der Handlung Leben verleiht.

Nicht dass die Handlung des Films zusätzliche Impulse bitter nötig hätte: Im Gegensatz zum ersten Teil (Kill Bill: Vol. 1) besteht die Handlung aus wesentlich mehr als wunderbar choreographierten Schwertkämpfen und pointierten One-Linern. Der Vergleich zum klassischen Western funktioniert mit dem zweiten Volume um ein vielfaches besser: Immer wieder treffen die Kontrahenten in geradezu unnatürlich ruhigen Szenen aufeinander. Sie reden, sie diskutieren, gewinnen Tiefe und eigene Motivation - ohne sich aber zu töten (…wobei es daran über kurz oder lang natürlich nicht vorbeikommt). Die eigentlichen Akte des Tötens, hier im wesentlichen der Rache, sind kurz und endgültig.
Es sind, nicht die Schießereien, die einen guten Western ausmachen; es sind die Charaktere, in ihrer Einzigartigkeit, es ist die Spannung, die ganz ohne Effekte aufgebaut wird - und letztendlich dient der finale kurze Shootout 'nur' als unvermeidlicher Höhepunkt, der die gesamte Spannung verdichtet und den Zuschauer damit 'befreit'. Tarantino verarbeitet die Musik Ennio Morricones, er widmet die Credits u.a. Charles Bronson und Sergio Leone. Tarantino weiß, wie man einen guten Western macht, unabhängig vom konkreten Ort und Zeit der Handlung.

Doch Tarantino tut sich mit Kill Bill: Vol. 2 noch in einer anderen Qualität hervor: Er beherrscht das Medium Film als Handwerker nahezu perfekt. Er nutzt alle Möglichkeiten, die sich bieten; er spielt mit Split-Screens, Farbgestaltung, Bildformat, Licht und Perspektive als wäre es eine Fingerübung - ohne dass man es als Zuschauer wirklich mitbekommt. Es sind - ähnlich wie die Musik, nur weniger bewusst - stilistische Mittel, die das Konzept des Filmes tragen, die Stimmung vertiefen und Perspektiven verdeutlichen. Es ist grandios, zu sehen, wie all das, was in anderen Filmen kaum oder zu plakativ eingesetzt wird, hier so zueinander passt, dass es tatsächlich eine Freude ist zuzusehen - zweifellos beherrscht Tarantino das Medium wie z.Zt. kaum ein anderer (…auf seine Art, muss man hier ergänzen. Denn auch das Medium Film kennt derartig viele Differenzierungen, dass es kaum "den" Meister geben kann.)

Als einziger Wermutstropfen erscheinen manche Charaktere und ihre Rollen im Film. Die Figur des Pai Mei beispielsweise wirkt wie ein Fremdkörper, der den Fluss des Filmes gelegentlich unterbricht - oder B.B. die als Handlungselement zwar ausgesprochen gelungen ist, aber zuletzt doch zu eindimensional bleibt um mehr zu sein als nur Objekt der Handlung.

Zweifellos ist Tarantino mit Kill Bill: Vol. 2 wieder ein ganz großer Wurf gelungen. Wer noch Zweifel haben mag, warum die Veranstalter des diesjährigen Cannes-Festivals Quentin Tarantino zum Vorsitzenden der Jury ernannt haben, der möge ins Kino gehen und sich selbst von der Klasse dieses Regisseurs überzeugen.