Und mehr und mehr öffnen sich auch die Kinosäle der Republik den Werken, die oft ursprünglich für den 23-Uhr Sendeplatz der ARD oder Artes Themenabend produziert wurden.
Aktuell finden sich ausgewählten Kinosälen die beiden deutschen Dokumentationen Schotter wie Heu und 7 Brüder. Im Mittelpunkt der Handlung von Schotter wie Heu steht eine Bank. Nicht irgendeine Bank, sondern die kleinste Bank Deutschlands; mit einem Angestellten (Antikapitalist), keinem Computer (auch kein Fax oder Geldautomat) aber 3,5 Prozent Zinsen (auf ein normales Sparbuch). Diese Bank liegt in Gammesfeld, einem Schwäbischem Dorf mit weniger als 600 Einwohnern. Doch anders als die zahlreichen Fernsehteams, die immer wieder in der Bank auftauchen, kurze Berichte abdrehen und von den Kunden schon fast ignoriert werden, beschäftigt sich der abendfüllende Kinofilm nicht nur mit der Bank von Gammesfeld, sondern auch mit all dem, was sonst noch zu dem Dorf gehört. Gammesfeld könnte vielerorts liegen, die Bank dient lediglich als Mittelpunkt der Erzählung, der Bankdirektor quasi als ortskundiger Führer. Und was dann auf der Leinwand entsteht, ist ein Zeitdokument, das in nicht allzu ferner Zukunft schon historischen Charakter haben könnte. Nicht nur der Bankdirektor, der die ganze Bank im Alter von fast 70 Jahren mit Lineal und Schreibmaschine betreibt, wird nicht mehr lange diese Arbeit erledigen können - und einen Nachfolger wird es auch nicht geben. Auch die restliche dörfliche Gemeinschaft stellt sich als eine Art lebendige Nostalgie dar. Dem kleinen Film-Team von drei Leuten gelang es, sich über einen langen Zeitraum hinweg in das Miteinander der Dorfgemeinschaft zu finden (was zum Teil den eingesetzten kleinen Digitalkameras zu verdanken ist, die aber auch immer wieder wegen der z.T. jämmerlichen Bildqualität Grund zum Ärgernis sind) - und auch der Zuschauer wird für kurze Zeit ein Teil von Gammesfeld. Er erfährt dabei auch von den unangenehmen Seiten des Dorflebens, die mitunter klischeehaft verwirklicht, mitunter merkwürdig antik daherkommen. So bleibt am Ende der Eindruck von einer kuriosen Bank, einem wahrlich denkwürdigen Banker, und einem Dorf, was irgendwie ganz sympathisch ist - wo man aber (ganz ehrlich) doch irgendwie nicht wohnen möchte. Kein Film, der gedreht werden musste - aber eine gelungene Aufnahme (west)deutscher Dorfmentalität, ein bisschen eigenwillig und sehr unterhaltsam. Auch 7 Brüder wirft einen Blick in die Vergangenheit, aber nicht in einem Dorf sondern in einer Familie; einer Familie mit sieben Brüdern. Diese sieben Brüder, zwischen 1929 und 1945 geboren, erzählen aus ihrem Leben und aus ihrer Familie. Das formal beeindruckende an dem Film ist, dass das auch schon alles ist: Die Erzählung. Die Macher des Filmes, der als Abschlusswerk eines Studiums an der FFH 'Konrad Wolf' entstant, haben an sieben aufeinanderfolgenden Tagen jeweils einen der sieben Brüder ins Studio geladen, und je einen Tag lang gefilmt was, was die Brüder zu erzählen hatten. Was daraus entstand, ist eine Unterhaltung im besten Sinne. Thematisch geordnet wurden die Erzählungen der Brüder so zusammengeschnitten, dass sie dem Zuschauer das Gefühl vermitteln, er würde sich mit diesen sieben bemerkenswerten Personen unterhalten - an einem netten Abend, bei einem Glas Wein. Nie kommt Langeweile auf, selten vermisst man bestimmte inhaltliche Details. Was bei Im toten Winkel nur auf Grund seiner besonderen Brisanz zu funktionieren schien, funktioniert hier als interessante und mitunter auch ausgesprochen witzige Unterhaltung. Inhaltlich geht es in den Erzählungen der Männer vor allem um das Leben in einer solche besonderen Familie, um Deutschland am Ende des Krieges und zur Stunde Null und um die Gedanken von Menschen, die nach einem großen Teil ihres Lebens auf dieses zurückschauen. Natürlich hat immer das eine mit dem anderen zu tun, aber dennoch kann man aus dem Film zu jedem dieser Themen soviel mitnehmen, das es allein einen Besuch lohnen würde. Das persönliche, das subjektive, das einzigartige dieser Erzählungen fasziniert. Der Witz, mit dem die sieben Brüder über ihr kindliches Miteinander reden (und ob denn eine Schwester nicht besser gewesen wäre), die Erlebnisse und Einstellungen, die die Jungen in den letzten Kriegsjahren geprägt haben und wie sie heute damit umgehen oder die Art und Weise wie sie zurückschauen auf ihre Eltern, ihre Geschwister und auf ihren ganz persönlichen Lebensweg, das ist ein Kinoerlebnis, das eigentlich nicht mehr viel mit Kino zu tun hat es ist 'ein Märchen aus der Wirklichkeit, spannend, unterhaltsam, aufrichtig und nachhaltig beglückend' (Zitat Presseheft). Sicherlich haben diese (mehr oder weniger) glorreichen Sieben in den acht Stunden, die sie vor der Kamera gesessen haben, auch einige Belanglosigkeiten (und womöglich auch Unwahrheiten) von sich gegeben und ganz sicher wird ein solches Projekt nicht mit jeder beliebigen Familie so unterhaltsam werden. Die pure Authentizität wird dem Zuschauer sicher nicht vorgesetzt. Aber darum geht es auch nicht. Es geht darum, einen ganz bemerkenswerten, spannenden und unterhaltsamen Film zu machen - der den Zuschauer bestenfalls mit einer gewissen Nachdenklichkeit und einer Reihe neuer Erkenntnisse aus dem Kino entlässt. Und das ist mit 7 Brüder allemal gelungen. |