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The Day After Tomorrow


The Day After Tomorrow, Roland Emmerich, 2004

Roland Emmerich ist nie richtig erwachsen geworden. Er ist ein kleiner Junge, oder vielleicht auch ein Halbstarker, geblieben. Beim Spielen mit Bausteinen hatte der kleine Roland immer am meisten Spaß an der schlussendlichen Zerstörung des mühsam erbauten. Und beim Computerspielen hat er immer zu denen gehört, die in "Comanche" konsequent tief und knapp durch die Canyons gejagt sind.
Dass sich daran bis heute nichts geändert hat, zeigt sich schon in der ersten Szene von Emmerichs neuem Werk: Ein Flug zuerst über den Ozean, dann vorbei und über einzelne Eisberge und - schollen und schließlich über die Eiswüste, bis hin zu einer winzigen Forschungsstation, kolossal im Nichts gelegen. Fast überflüssig, zu erwähnen, dass diese Eiswüste - die in Wirklichkeit eine riesige Eisscholle ist - nur wenige Minuten später mit lautem Getöse und apokalyptischem Knirschen auseinander brechen wird.

Nach einer kurzen Einführung, in der die Charaktere vorgestellt werden und die nahende Katastrophe angekündigt wird, findet sich der Zuschauer schon bald in den verschiedensten meteorologischen Katastrophenszenarien wieder: Wirbelstürme, heftigstes Schneetreiben, Hagelkörner wie Fußbälle und ähnliches präsentieren sich zuerst zusammenhangslos, an den verschiedensten Schauplätzen aneinander gereiht. Erst nach und nach konzentriert sich die Handlung auf eine handvoll Schauplätze und stellt die Phänomene in einen größeren Zusammenhang. Im letzten und längsten Teil des Filmes schließlich treten die Wetterphänomene selbst in den (dramatischen) Hintergrund und der Überlebenskampf einzelner Individuen füllt die Handlung aus.

The Day After Tomorrow hat v.a. ein Problem: Zu viele Ebenen sollen miteinander verbunden werden, zu viele Geschichten und Anliegen will das Drehbuch vermitteln. Die wissenschaftlichen Details hätten einen spannenden Thriller, die politischen Verwicklungen einen gute Krimi, die familiären Spannungen ein Drama und die Katastrophen, naja, einen guten Katastrophenfilm hergegeben. Emmerich aber will alles in einem - Kinder(!)überraschung. Dadurch aber wirkt nichts von alldem wirklich zentral. Immer wieder rücken andere Aspekte in den Vordergrund, die aber schnell wieder fallen gelassen werden und so den Zuschauer auch nie wirklich zu fesseln vermögen. Einzig das Geschehen um die in New York eingeschlossenen verfolgt man mit mäßiger Spannung; wobei Emmerich auch hier mit einer unnötigen, platt konstruierten Wolfsattacke den Bogen überspannt. Mit Independence Day hatte Emmerich es beispielhaft gezeigt: Weniger Story bedeutet mitunter mehr Filmspaß.

Unter einem Manko, das eigentlich keines ist, leidet der vielleicht wesentlichste Bestandteil des Filmes, die Effekte. Die Bilder sind großartig, überzeugend und phänomenal: Bombastische Tornados reißen halbe Gebäude weg, Manhatten geht in einer grandiosen Flutwelle unter. Aber: Die Bilder sind nicht neu. The Core, Armageddon und nicht zuletzt Emmerichs eigene Filme Independence Day und Godzilla haben es vorgemacht. The Day After Tomorrow kann eben bei aller technischen Perfektion nicht noch mehr kaputt machen. Zum wirklichen Staunen hätte es eine neue Qualität von cinephilen Katastrophen benötigt. Die aber kann Emmerich prinzipiell nicht mehr erreichen.

Emmerichs Bilder sind toll, Wirbelstürme und Flutwellen machen Spaß. Was aber darüber hinaus geht, zeigt die Defizite des Drehbuchautors Emmerich. So bleibt am Ende ein durchwachsener Eindruck - wenn auch Emmerichs 'Anliegen' durchaus lobenswert ist.