Martin Scorsese wird am 27. Februar aller Voraussicht nach für The Aviator
einen Oscar mit nach Hause nehmen. Zu Recht? Ja und nein.
Scorsese macht seit 30 Jahren aussergewöhnliche Filme. Keine einfachen Filme, oft eher verstörende, unschöne Werke. Filme allerdings, die Geschichte geschrieben haben. Taxi Driver, Die Letzte Versuchung Christi oder Goodfellas sind Filme, die in ihrer Zeit für Aufsehen gesorgt haben und bis heute wichtig geblieben sind. Mit zuletzt Gangs of New York und nun The Aviator hat Scorsese andere Filme abgeliefert. Manche meinen, er dreht seine Fahne in den Mainstream-Wind; Tatsache ist, dass seine Chancen auf einen Oscar erst mit diesen - sowohl inhaltlich wie auch stilistisch - "amerikanischeren" Werken reell geworden sind. Davon mag man halten, was man will - den Aviator macht das nicht zu einem schlechten Film. The Aviator erzählt vom Leben Howard Hughes'; einem amerikanischen Unternehmer, dessen Leben sich ausgesprochen schillernd gestaltete: Aus Passion stürzte er sich erst ins Film- dann auch ins Fliegerei-Geschäft, Erfolge und Rückschläge geschäftlich wie privat, zeitlebens begleitet von verschiedenen Neurosen, drogensüchtig. (Wikipedia bietet dazu einen Überblick , der nicht nur für Film-Seher interessant ist.) Die Geschichte ist spannend, Leonardo DiCaprio liefert eine beeindruckende Leistung (v.a. des gealterten, kranken, paranoiden Hughes'), die Kameraufnahmen sind insbesondere in den Flieger-Szenen großartig. Sicher, der Film hat auch Längen - nicht alles hätte in der Breite entwickelt werden müssen, womöglich wäre der Film mit weniger als seinen 170 Minuten Laufzeit noch attrkativer geworden. Auch die chronologischen Sprünge, die es immer wieder gibt und die manche Episoden nur kurz anreissen, schmälern das Gesamterlebnis des Film womöglich ein wenig. Das Hauptproblem ist aber das Publikum. Für den mitteleuropäischen Zuschauer würde es keinen großen Unterschied machen, wäre die Geschichte um den exzentrischen Millionär nur eine völlig fiktive. Ohne den kulturellen historischen, amerikanischen Hintergrund verliert der Film zweifellos. Es bleibt es eine gewisse Distanz zu dem was dort geschieht, es fehlt der Spannungsbogen, den man von einer guten fiktiven Geschichte erwartet. Es ist anzunehmen, dass US-Amerikaner diesen Film anders sehen. Ebenso wie Das Wunder von Bern oder Im Schatten der Macht (mehrfach ausgezeichneter Fernsehfilm über Willy Brandt) im Ausland wenig erfolgreich sein dürften, funktioniert The Aviator für den deutschen Zuschauer nicht richtig. Das gesellschaftliche, kulturelle und politische Umfeld der amerikanschen 40er-Jahre ist wesentlicher Teil des Filmes - und wer damit nicht viel anfangen kann, der kann sich auch in diesen Film nur schwerlich hineinversetzen. So bleibt The Aviator ein zweifellos guter Film, in dem DiCaprio zeigt, dass er tatsächlich mehr kann, als den Beach-Boy und ein Film der den Oscar nicht ganz zu Unrecht bekommen wird. Doch für viele Zuschauer wird dieser Film nicht seine ganze Wirkung entfalten können und bleibt so eben nicht mehr als ein guter Film. |